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Knabenschule Schild

Streng getrennt haben Mädchen und Knaben früher in Stollberg gelernt. In der heutigen Altstadtschule befand sich die Mädchenschule und in unmittelbarer Nähe der Kirche, im Gebäude an der Pfarrstraße 2 die Knabenschule. Im 16. Jahrhundert befand sich an der Pfarrkirche die Lateinschule – später dann die Knabenschule genannt. Sie war damals im Gebäude des Hauses vor dem Diakonat untergebracht.

Das Gebäude der Knabenschule wurde auf einem früheren Gräberfeld errichtet. Es wird angenommen, dass 1780 das Gebäude errichtet wurde. Große Aufregung herrschte zu DDR-Zeiten, als man bei Schachtarbeiten zwei Unterkiefer fand. Die Kriminalpolizei ermittelte, bis sich herausstellte, dass es sich um Reste der Bestatteten handeln muss. Der Geschichtsforscher Friedrich Schmidt berichtete: „Auf dem Friedhof um die Kirche wurden die toten Bürger begraben, die verstorbenen Mitglieder der adligen Familien aber unter dem Altarplatz.

1594 soll auf dem Friedhof um die Jakobikirche die letzte Leiche beerdigt worden sein.“ Bis etwa 1923/24 wurden die Knaben in den Räumen des Hauses unterrichtet. In der unteren Etage befanden sich zwei Klassenräume, ebenso im Obergeschoss dazu noch die Wohnung des Rektors. Das Gebäude ist teilweise unterkellert, mit einem Tonnen- und einem kleinen Kreuzgewölbe, wobei noch nicht bis ins Letzte erforscht ist, wie der frühere Hauseigentümer die Kellerräume mit Natursteinböden nutzte. Nach dem Ende der Knabenschule bestand das gesamte Haus aus Wohnungen. Der letzte Mieter ist im März 2000 ausgezogen.

Das Gebäude befand sich erst im Besitz der Kirche, später der Stadt. Mario Richter, der jetzige Eigentümer, ist der erste Privatbesitzer. Als er das Haus im August 2001 kaufte, wurde umgehend die Sanierung in Angriff genommen, so viel wie möglich von der alten Bausubstanz sollte noch gerettet werden. Der Schornstein musste als Erstes dran glauben, er war total kaputt. Die Decke im Erdgeschoss glich einem Trichter, auch hier war dringend Handlungsbedarf. Drei Lagen Dielenbretter kamen zum Vorschein uralt, alt und neu. Die Wände gaben verschiedene Kalkfarbenschichten frei, alle in Blautönen gehalten.

Und es muss auch tierisch etwas los gewesen sein in der Knabenschule. Auf dem Dachboden fand Herr Richter kiloweise Mohnkapseln. Es könnte sein, dass hier Marder und Eichhörnchen ihr Winterlager hatten. Jede Menge Sonnenblumenkerne auf dem Speicher blieben seit vielen Jahren unangetastet. Daraus schlussfolgert Herr Richter: „Mäuse kann es in jüngster Zeit in dem Haus nicht gegeben haben.“ Als er auf dem Dachboden die Dielenbretter entfernt hatte, machte der Bauherr einen etwas skurrilen Fund. Möglicherweise gab es früher einmal in Stollberg eine Rattenplage, denn Richter fand etwa 30 Stück dieser Nager, mumifiziert. Sie haben nun auch ihre letzte Ruhe gefunden.

Ebenfalls unter der Dielung war eine Flaschenpost aus dem Jahr 1972 versteckt. Sie enthielt einen Brief, eine Münze „Deutsches Reich 1924“ und ein Abzeichen 25 Jahre DDR. Das Schreiben enthält die Nachricht: „Ich, Albert Günther aus Gablenz, geboren 3. Januar 06 wohne seit 1929 in dem Haus.“

Das Landesamt für Denkmalpflege stufte die Schule als Kulturdenkmal ein. „Der Denkmalwert liegt im vorhandenen originalen hölzernen- konstruktiven System, wie Dachstuhl, Fachwerkobergeschoss und Holzbalkendecken.“ Im Originalzustand befinden sich die Treppe mit Geländer, einige Türen und die Natursteinwand zum Nachbarhaus.

Hinweise auf eine Kirchenschule gibt es bereits 1425. Friedrich Schmidt schrieb, „dass in der Schule an der Kirche außer Lesen, Rechnen und Schreiben vor allem Latein gelehrt wurde, und zwar in zwei Klassen mit 12 und 18 Stunden wöchentlich. Ein voller Tag blieb dem Religionsunterricht vorbehalten, ein weiterer dem Besuch einer Wochenpredigt. Die Lateinschule diente in katholischer Zeit der Ausbildung von Ministranten (Helfern im Gottesdienst)“.

Anfang des 17. Jahrhunderts waren die Schulmeister ausgebildete Theologen, die den Lehrerberuf nur solange ausübten, bis eine Pfarrstelle frei wurde. Die Folge war ein häufiger Lehrerwechsel, der sich nachteilig auf den Unterricht auswirkte. In einem Bericht von 1578 heißt es: „Es wird geringer Fleiß in der Schuhl angewendet. Er (der Schulmeister) entschuldigt sich mit rahts geschefften. Der Schulmeister kommt manchen halben tag nicht in die Schule, der Cantor wartet seines Bierschenkens und der Pfarr visitiert die Schule nicht.“

alte Knabenschule
Knabenschule
Knabenschule heute